Das bewusste subjektive Erleben ist eine komplexe Sache, da spielen körperliche Vorgänge und Verhaltensimpulse dabei eine wesentliche Rolle. Das gilt nicht nur für Angst. Es ist typisch für alle Emotionen, dass sie körperliche und mentale Prozesse koppeln, den Menschen als Ganzes beeinflussen und im Extremfall völlig in ihren Bann ziehen können. Das hat sich auch in vielen Redewendungen niedergeschlagen: Wir sind gelähmt vor Angst, erröten vor Scham, machen Luftsprünge vor Freude, sind blind vor Wut.
Bei allen Definitionsschwierigkeiten ist klar: Emotionalität ist ein entscheidender Teil unserer Persönlichkeit. Und es sind gerade die mit starken Emotionen einhergehenden Episoden in unserer Vergangenheit, die uns geprägt haben und unsere Identität ausmachen. Schon die persönliche Erfahrung zeigt, dass man sich an die erste Liebe besser und lebhafter erinnert als an den Geografie-Stoff aus der 10. Klasse. Und die Wissenschaft kann inzwischen bestätigen: Emotionale Ereignisse graben sich besonders tief ins Gedächtnis ein.
Emotionen genießen oft einen schlechten Ruf. Sie würden vernünftige Abwägungen durch einander bringen, Entscheidungen irrational und Menschen unberechenbar machen, sagen nicht nur Vernunftmenschen. Unbestreitbar ist, dass etwa ein hitziger Streit oft wenig zur Problemlösung beiträgt.
Andererseits haben sich Emotionen aber im Lauf der Evolution nicht ohne Grund entwickelt. Sie sind unerlässlich dafür, überhaupt Entscheidungen zu treffen und auf unsere Umwelt in angemessener Weise zu reagieren. Oder wie Damassio, Neurowissenschaftler an der University of Southern California und wohl einer der bekanntesten Köpfe seiner Zunft es formuliert: „Emotionen sind kein Luxus sondern ein komplexes Hilfsmittel im Daseinskampf.“
Emotionen machen das Leben lebenswert, sind zentraler Bestandteil unseres Seelenlebens. Aber sie sind noch mehr: mächtige Bewertungssysteme, die uns viele Situationen automatisch einschätzen lassen, so dass wir schnell und richtig reagieren können.
Emotionen bringen Farbe in unser Leben. Nicht immer nur schöne und harmonische Farben. Aber versucht man sich das Leben ohne sie zu denken, streng sachlich und rational, ohne Gefühl und Mitgefühl, wäre die menschliche Existenz gespenstisch grau, leer und ohne jede Bedeutung. Auch ginge viel von dem verloren, was uns als Personen und unsere Lebensgeschichten jeweils einzigartig macht. Die individuelle Emotionalität ist ein entscheidender Teil unserer Persönlichkeit. Und es sind gerade die mit starken Emotionen einhergehenden Episoden in unserer Vergangenheit, die uns geprägt haben und unsere Identität ausmachen.
Die emotionale Reaktion ist oft schon erfolgt, bevor wir uns der Sache überhaupt bewusst sind, geschweige denn darüber nachgedacht haben. Denn emotionale Schaltkreise im limbischen System können eine erste Bewertung vornehmen und entsprechendes Verhalten vorbereiten, schon bevor die vergleichsweise langsam arbeitenden höheren Cortex-Bereiche, in denen bewusste Gefühle entstehen, involviert werden.
Wichtiges Instrument zur Kommunikation
Wie viel allein an dieser sozialen, kommunikativen Komponente hängt, wird am Autismus deutlich. Menschen mit dieser Entwicklungsstörung sind gewissermaßen Analphabeten im Hinblick auf das Erkennen non-verbaler Emotionsvermittlung. Weil sie den emotionalen Ausdruck anderer nicht verstehen können, tendieren zu einem stark von der Umwelt zurückgezogenen Leben. Und das ist nur eine von vielen emotionalen Störungen, die das soziale, private und berufliche Leben grundlegend beeinträchtigen.
Der Mensch ist keine Maschine: Gefühle steuern viele unserer Handlungen. Allerdings hat auch die Vernunft ein Wörtchen mitzureden. Wer komplexe Entscheidungen treffen will, sollte sich auf sein intuitives Erfahrungswissen verlassen.